Montag, 31. Dezember 2012

Macka B: "Was ich esse"

Reggaesänger und Veganer Macka B (Foto: Macka B)
Er singt gegen Rassismus, gegen Atomkraft, für die Gleichberechtigung - und immer wieder für eine tierleidfreie Ernährung. Der britische Reggaesänger und Veganer Macka B schafft es, das schwierige Thema Ernährung in groovige und lebensbejahende Songs zu verpacken - und widerlegt damit spielerisch jedes Klischee vom humorlosen und drögen Vegetarier.  

Macka B (geboren als Christopher MacFarlane in England) beschäftigt sich in seinen sozialkritischen Liedern immer wieder mit dem Thema Ernährung. Auf Konzerten äußert er sich immer wieder kritisch zu Fastfood-Ernährung und den dazugehörigen Konzernen ("We don't want no Big Mack"). Als die BSE-Seuche wütete, schrieb er ein Lied über den Rinderwahnsinn, der sich von England aus verbreitete: "Mad Cow".

Der seit über dreißig Jahren tätige Musiker ist seit vielen Jahren überzeugter Veganer, und wer den lebensfrohen Sänger einmal live gesehen hat, weiß dass er  sich bester Gesundheit erfreut. Vegetariern und Veganern wird von Fleischlobbyisten immer wieder nachgesagt, sie seien humorlos oder langweilig - der FC-Bayern Präsident und Wurstlobbyist  Uli Hoeneß machte in einer Ansprache erst kürzlich Stimmung gegen Vegetarier: "Ich habe noch keinen Vegetarier, gesehen, der gelacht hat". Dabei passt der cholerische und altbackene Fußballfunktionär viel besser in dieses falsche Klischee als sämtliche Tierfreunde. Vielleicht sollte der Wurstfabrikant einfach einmal auf ein Macka-B-Konzert gehen, um sein krudes Weltbild gerade zu rücken.

Macka-B ließ sich von bekannten jamaikanischen Reggaekünstlern wie Burning Spear, Bob Marley, Peter Tosh und Count Ossie inspirieren. Der praktizierende Rastafari besuchte immer wieder Jamaica - die Insel, auf der nicht nur die Reggaemusik, sondern auch die vegetarische Ernährung (Ital Food) eine lange Tradition hat - um Musikalben aufzunehmen.

Zu einem regelrechten Kult-Song hat sich seine Veganer-Hymne "Wha me Eat" ("Was ich esse") entwickelt, die auf keinem seiner Konzerte fehlen darf. In diesem Lied beschreibt Macka B, wie er immer wieder komisch angesehen wird, wenn er sagt, dass er sich vegan ernährt. Denn die Leute wüssten einfach nicht, wie vielseitig eine vegane Ernährung sein kann. Dabei ist die Liste der Lebensmittel auf seiner Speisekarte beeindruckend lang, wie er in seinem Song beweist:

Macka B: "Wha Me Eat"



 Macka B:  "Wha me eat" ("Was ich esse", deutsche Übersetzung)

"Wir sind natürlich und vegan, wir essen von der Erde und lassen den Tieren ihr Leben. Kein totes Fleisch, kein Pelz, keine Federn. Wenn ich den Leuten erzähle, ich esse kein Fleisch, keinen Fisch oder Milchprodukte, sehen sie mich komisch an. Sie verstehen nicht, dass ich mich sehr abwechsungsreich ernähre. Sie fragen sich, was ich esse!

Wenn ich ihnen erzähle, ich esse weder Fisch noch Fleisch,  fragen sie sich, was ich esse, wenn ich ihnen sage, dass ich Veganer bin.

Ich esse weder Fisch, noch  Käse oder Eier. Nichts mit Füßen, Augen, Federn oder Kopf, nichts mit Lippen, Ohren, Zehen oder Beinen. Statdessen esse ich lieber Obst und Gemüse. Ich bin achtsam und wählerisch bei meiner Ernährung. Meine Medizin ist mein Essen, mein Essen ist meine Medizin.

Wenn ich den Leuten sage, dass ich diese Dinge nicht esse, sehen sie mich an, kratzen sich am Kinn und wundern sich. Was ich esse, sie fragen sich, was ich esse. Wenn ich ihnen sage, ich esse weder Fisch noch Fleisch, fragen sie sich was ich esse.

Wollt ihr hören was ich esse? Ich esse Callaloo, Ackee, Süßkartoffel, Jamswurzel. Banane, Tomaten, Kohl, Spinat, Avocado, Chayote, Bohnen., Reis, Kürbis, Mango, Guaven, Kichererbsen, Maniok, Rosenkohl und Blumenkohl, Zwiebel, Gurke, Pflaumen und Papaya, Aubergine, Linsen und Quinoa, Karotten, Tofu, Paprika, Brokkoli und Kokosnuss, Pfirsiche, Äpfel, Aprikosen, Grapefruit, Pistazien, Melone, Erbsen, Knoblauch, Kirschen, Erdbeeren ..." und so weiter...


"Wha Me Eat" Original Songtext (geschrieben  in English and Patois, Übersetzungen  in Klammern):

 "Selamta (Greetings in Amharic) Ital (natural) we Ital and Vegan we Vegan I and I (we) eat from the earth and leave the animals to give birth No deaders (dead flesh) No fur No feathers When I tell people I don't eat meat, fish or dairy They look at me strangely They don't realise I eat a very wide variety Listen to Macka.B Yo! Chorus x2 Wha me eat them a wonder wha me eat When me tell them say me nu (don't) eat no fish nor no meat no Wha me eat them a wonder wha me nyam (eat) When me tell them say that I'm a vegan Verse1 Well me nu eat no meat no fish no cheese nor no egg Nothing with no foot no eye no wing nor no head Nothing with no lip no ears no toe nor no leg Prefer fruit and vegetables instead Me careful and me choosy about what I'm eating My medicines my food my food is my medicine When I tell people that me nu eat dem deh (those) things They look at me and scratch their chin And start wondering Chorus Wha me eat them a wonder wha me eat When me tell them say me nu eat no fish nor no meat no Wha me eat them a wonder wha me nyam When me tell them say that I'm a vegan Wha me eat them a wonder wha me eat When me tell them say me nu eat no fish nor no meat no Wha me eat them a wonder wha me eat Dou you want to hear wha me eat? Verse 2 I eat Callaloo, Ackee, Sweet Potato, Yam, Banana and Tomato Cabbage, Spinach, Avocado, Cho Cho, Butter Beans ..."

Freitag, 14. Dezember 2012

Philosophen zwischen Sein und Sollen


Oder: Warum Peter Sloterdijk sein Leben ändern muss


"Wie die Hausfrau, die die Stube gescheuert hat, Sorge trägt, dass die Türe zu ist, damit ja der Hund nicht hereinkomme und das getane Werk durch die Spuren seiner Pfoten entstelle, also wachen die europäischen Denker darüber, dass ihnen keine Tiere in der Ethik herumlaufen"
Albert Schweitzer ("Ehrfurcht vor den Tieren")

Von den Philosophen können sich die geschundenen Tiere in unserer Gesellschaft wohl am wenigsten Rettung erhoffen. Die Zunft der Denker schwadroniert zwar allzu gerne von Ethik und Moral, auch wenn es um das Verhältnis zwischen Mensch und Tier geht; wenn es aber konkret wird, entpuppt sich ihr Gerede leider viel zu oft als heiße Luft, entlarven sich ihre hehren Gedanken als leere Worthülsen.  

Foto: ulitie  / pixelio.de
"Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern." Der berühmte Satz von Karl Marx kommt mir unweigerlich in den Sinn, wenn ich an den Philosophen Peter Sloterdijk denke. Insbesondere wenn man davon ausgeht, dass jede Veränderung zunächst von  einem selbst ausgehen muss. Wie wollen wir Missstände anprangern, wenn wir selbst ein Teil davon sind?  "Wasser predigen und Wein trinken" ist noch so eine bekannte Redewendung, die gut auf Sloterdijk anwendbar ist - wobei es hier überhaupt nicht um alkoholische Getränke geht. In diesem Fall müsste es heißen: "Tierrechte predigen und Fleisch essen."

Denn Sloterdijk ist ein durchaus profilierter Kopf in Sachen Tier und Mensch. Als Schirmherr der "Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt" stellt sich  der Kulturwissenschaftler in die erste Reihe einer Bewegung, die sich die Förderung der Tierrechte auf die Fahnen geschrieben hat.

Die Tierethik im weiteren Sinne hat eine lange Tradition in der Ideengeschichte. Schon der berühmte antike Philosoph und Vorsokratiker Pythagoras (etwa 582 - 496 v. Chr.) stellte die Frage: "Wer mit dem Messer die Kehle eines Rindes durchtrennt und beim Brüllen der Angst taub bleibt, wer kaltblütig das schreiende Böcklein abzuschlachten vermag und den Vogel verspeist, dem er selbst das Futter gereicht hat - wie weit ist ein solcher noch vom Verbrechen entfernt?".

Der Kosmopolit Plutarch (45 – 120 n. Chr.) schreibt: "Könnt ihr wirklich die Frage stellen, aus welchem Grunde sich Pythagoras des Fleischessens enthielt? Ich für meinen Teil frage mich, unter welchen umständen und in welchem Geisteszustand es ein Mensch das erste Mal über sich brachte, mit seinem Mund Blut zu berühren, seine Lippen zum Fleisch eines Kadavers zu führen und seinen Tisch mit toten, verwesenden Körpern zu zieren, und es sich dann erlaubt hat, die Teile, die kurz zuvor noch gebrüllt und geschrieen, sich bewegt und gelebt haben, Nahrung zu nennen. (...) Um des Fleisches willen rauben wir ihnen die Sonne, das Licht und die Lebensdauer, die ihnen von Geburt an zustehen."

Der englische Philosoph und Begründer des Utilitarismus, Jeremy Bentham (1748 – 1832), formulierte als einer der ersten Befürworter von Tierrechten den entscheidenden Satz: "Die Frage hat für die Menschheit nicht zu lauten: Können die Tiere denken? Sondern sie muss zu lauten: Können die Tiere leiden?"


Als wichtigster Vertreter der zeitgenössischen Tierrechtsbewegung ist wohl der australische Philosoph Peter Albert David Singer zu nennen. In seinem 1975 verfassten Werk "Animal Liberation" (Die Befreiung der Tiere), das zu einem Klassiker der Tierrechtsbewegung wurde, beschreibt er die Diskriminierung und Ausbeutung von Tieren durch den Menschen aufgrund ihrer Spezieszugehörigkeit (Speziesismus).  Singer wird als Mitbegründer der modernen Tierethik angesehen. 

"Er schaut sich alles an, auch die allerunangenehmsten Sonderfälle, und lässt sich auf Dinge ein, an denen sich andere Leute vorbeischummeln, um sich ein harmloseres Weltbild bewahren zu können", sagt Sloterdijk über Singer in einem Interview mit der österreichischen Zeitung der Standard. Auf die simple Frage, "sind Sie Vegetarier?" antwortet er: "Nein. Aber wir schränken den Fleischkonsum ein wenig ein."  Ein einfaches und ehrliches "Nein" hätte es auch getan. Den Fleischkonsum "ein wenig einschränken" – das ist also die wegweisende Antwort des großen Philosophen Sloterdijk auf die Tierrechtsfrage. Noch vor über zehn Jahren prognostizierte er, dass die jüngeren Menschen in der Bevölkerung sich gegen die Tiermisshandlungen der industriellen Fleischproduktion wenden würden. Aber wie kann man  Hoffnungen auf andere richten, wenn man selbst nichteinmal dazu bereit ist, sein Leben entsprechend zu ändern?

Ausgerechnet "Du musst dein Leben ändern" lautet eines seiner Essays. Peter Sloterdijk, hiermit fordere ich dich auf: Fang bei dir selbst an, ändere dein Leben! Dann kannst du auch Interviewfragen offen und ehrlich beantworten. Für den Anfang: Ändere deine Ernährungsgewohnheiten, höre damit auf, Tiere zu essen. Du musst es nur wollen – das ist der Weg vom  Sollen zum Sein. 

Verdrängungskünstler

Ähnlich inkonsequent wie Sloterdijk laviert sich der Philosoph Robert Spaemann im Gespräch mit Richard David Precht durch die Tierrechtsthematik. So hält er es zwar für "verwerflich und unmoralisch, Tieren absichtlich Leid zuzufügen", im selben Atemzug aber hält er es für gerechtfertigt, Tiere zu töten ("weil Tiere keine Biographie haben"). Genau damit fügt er aber dem Tier vermeidbares Leid zu. Seine revolutionäre Konsequenz aus dem Umstand der vorherrschenden grausamen Massentierhaltung: "Ich esse nicht mehr jede Form von Fleisch". Auf diesen Minimalkonsens könnte sich wohl jeder Fleischesser einigen, denn wer isst schon "jede Form von Fleisch". Dann wiederum meint er, Menschen dürften immerhin keine Primaten töten. Weil die doch recht schlau seien. Es komme aber nicht auf die Intelligenz, sondern auf die Leidensfähigkeit eines Lebewesens an, hält ihm Precht entgegen.  Da flüchtet sich Spaemann in stumpfen Speziesismus: Allein die Tatsache Mensch zu sein, nicht Vernunft oder Leidensfähigkeit, entscheide, ob ein Lebewesen getötet werden darf oder nicht. Dann gibt er zu, dass jede Tötung mindestens einen Augenblicksschmerz verursacht. Es bleibt letztlich bei einem vagen "es kommt immer darauf an", so das erschreckend nichtssagende Fazit des Philosophen Spaemann. Mal sagt er so, dann wieder so, Tiere töten ist irgendwie schlecht, aber dann auch wieder irgendwie nicht, er biegt sich die Welt immer so zurecht, wie es ihm gerade passt. 

Precht bilanziert daraufhin: "Es ist unserer Verdrängungskunst geschuldet, dass es nicht mehr Vegetarier gibt". Und weiter: "Das, was unter der Decke stattfindet, das Treiben in den Schlachthäusern ist eine Grausamkeit, ein industrieller Tiertod unvorstellbaren Ausmaßes, viel brutaler als in den Zeiten des Barock. Wenn wir das tagtäglich vor Augen geführt bekommen, würden wir entweder wieder verrohen oder wir würden sofort sagen: Das muss alles abgeschafft werden!" Es scheint, dass auch die Philosophen wahre Meister in der Kunst des Verdrängens sind. Hauptsache der eigene alteingefahrene Lebensstil wird nicht hinterfragt. Und selbst Precht gesteht, seine Predigten nicht konsequent zu praktizieren: Denn "dann wäre man nicht nur Vegetarier, sondern Veganer" - und das ist auch dem lederschuhtragenden Moralisten zu anstrengend.


Die heutigen Mainstream-Philosophen scheinen unfähig, brauchbare Antworten auf drängende Probleme unserer Zeit zu finden – zugunsten der eigenen Bequemlichkeit. Von der Vorbildfunktion ganz zu schweigen. Bleibt die Frage: Wofür brauchen wir sie eigentlich, die Philosophen?